Einführung

Das allgemeine Bild von psychischen Erkrankungen ist geprägt von Vorurteilen und Stereotypen, die im individuellen Fall dazu führen, dass eine Erkrankung nicht verstanden wird und die damit verbundenen Lebens- und Verhaltenseinschränkungen falsch interpretiert werden.

Häufig wird erkrankten Menschen fälschlicherweise Gefährlichkeit, Faulheit oder Willensschwäche unterstellt. Viele der Vorurteile und negativen Stereotype werden von Medien, Pressesprecher*innen, Expertinnen/Experten oder sogar Betroffenen selbst weiterverwendet und am Leben gehalten.

Die Gleichsetzung der psychischen Erkrankung mit negativ bewerteten Merkmalen führt bei der Bevölkerung zu Misstrauen gegen und falschen Vorstellungen über psychische Erkrankungen und damit zu einer Abwertung und sozialen Ausgrenzung der Betroffenen.

Diese Stigmatisierung verstärkt die Scham und den Leidensdruck erkrankter Menschen, was zu einer ablehnenden Haltung gegenüber Therapien führen bzw. die Genesungschancen hemmen kann. Die Stigmatisierung erhöht somit die Gefahr von Rückfällen und Chronifizierung mit langwierigem Krankheitsverlauf oder sozialer Isolation.

Die Berichterstattung in Medien ist maßgeblich an der Reproduktion des Stigmas beteiligt: Überzeichnung, Vereinfachung, Verkürzung sind journalistische Mittel, die den Sensationswert und die Zugriffszahlen erhöhen können. Dies soll aber nicht auf Kosten psychisch erkrankter Menschen gehen.

Medien sind für die meisten Menschen eine wichtige Informationsquelle – auch zum Thema „psychische Erkrankungen“ und auch für die Erkrankten und deren Angehörige selbst. Daher ist von besonderer Bedeutung, wie Sie als Journalist*in über psychische Erkrankungen berichten, in welcher Form und zu welchem Zweck Sie diese thematisieren und welche Botschaft Sie dabei vermitteln.

Eine verantwortungsvolle Medienberichterstattung kann einen Beitrag zur Reduktion des Stigmas leisten, wenn über psychische Erkrankungen so berichtet wird, dass sich die Betroffenen im Beschriebenen wiederfinden, sich dazu bekennen können, sich wertgeschätzt und zu frühzeitiger Behandlung ermutigt fühlen.

Stigmafreie Medienberichte ersparen nicht nur den Betroffenen und deren Familien viel Leid, sondern nützen auch dem Gesundheits- und Sozialsystem und verbessern das Klima in unserer Gesellschaft. Anders als in Ländern wie Deutschland, England oder Australien liegen derzeit in Österreich keine Empfehlungen für Journalismus und Medien vor, wie eine adäquate Berichterstattung über psychische Erkrankungen gestaltet sein kann.

Zum Thema „Suizidprävention“ hingegen wurde schon erfolgreich gezeigt, wie themenbezogene Auf-klärung und Sensibilisierung funktionieren [1] . Hier konnte durch eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Medienvertreterinnern/-vertretern, Expertinnen/Experten und Betroffenen die Qualität der Berichterstattung nachhaltig verbessert werden, was unbestritten zum Rückgang der Suizide in Österreich beigetragen hat

[1] Niederkrotenthaler T, Sonneck G. (2007): Assessing the impact of media guidelines for reporting on suicides in Austria: interrupted time-series analysis. Aust NZ J Psychiatry; 41: 419–28